Stellen Sie sich vor, Sie wollen Mundharmonika spielen

und keiner kann mehr welche machen.

(von Hans Hoyer, Klingenthal)

Stellen Sie sich vor, Sie wollen Mundharmonika spielen und keiner kann mehr welche machen. Eine an sich absurde Vermutung, doch schaut man sich das Alter der Beschäftigten in den Mundharmonikabetrieben an, dann ist da was Wahres dran. Mundharmonikas wurden schon immer in Manufakturen hergestellt. Man benötigt dazu Schnitt-, Präge- und Ziehwerkzeuge, Pressen, Fräsmaschinen, Stimmtische und Stimmkästchen. Wissen Sie, welche Spezialberufe für eine Blues Harp oder für eine Chromatik erforderlich sind und wie sie heißen?

Der Hölzerfräser

Holzplattenträger oder Hölzer werden mit sog. Wiener Holzerfräsern kammartig ausgefräst. Heute wird auch Kunststoffe eingesetzt, dieser wird gespritzt. Das macht ein Kunststoffspritzer. Die Herstellung der Wiener Hölzerfräser ist recht komplizierte Handarbeit. Nur noch einzelne alte Schlosser beherrschen diese Fertigkeiten.

Der Hölzerpolierer

Die sichtbare Holzseite wurde früher mehrfach geschliffen, poliert und lackiert. Alte Rezepte von Holzfarben und Beizen, Ansätze aus dem Lack der indischen Schell-Laus oder Blauholzfarbe werden nur noch sehr wenig verwendet.

Poliert wird nur noch selten.

Ich sehe noch heute vor mir wie in der kleinen Fabrik meines Urgroßvaters in den Harfen" viele Hölzer über den Poliertisch geschwungen wurden. Heute wird eigentlich nur noch spritzlackiert. Kunststoffplattenträger bringen Farbe und Glanz sofort aus dem Werkzeug mit.

Der Plattenmacher

Er war und ist ein vielseitiger Metallarbeiter. Er schneidet aus vorzugsweise Messing die Außenform der Platte mit den Aufnagellöchern (heute oft Schraublöchern) mit der Exzenterpresse aus. Er presst die Kanäle mit einer zweiseitig wirkenden Spezialpresse mit den Plattenschnitten aus. Ein gegenüber der normalen Stanztechnik wesentlich komplizierterer Vorgang. Der Aufbau und die Herstellung der Plattenschnitte weist gegenüber normalen Schnittwerkzeugen einen völlig anderen Aufbau auf. Sie sind auch heute noch nur in Handarbeit eines Schlossers zu machen. Der Plattenmacher bohrt auch die Nietlöcher für die Tonzungen. Dazu benütz er ein „Bohrzeug", ebenfalls ein ganz spezielles Schnittwerkzeug. Tonzunge, Kanal und Nietlöcher müssen auf 0,01 mm genau zueinander passen und für das bohren eine Platte stehen aus Kostengründen nur ca., 1 Sekunde für bis zu 12 Nietlöchern zur Verfügung. Schließlich hobelt der Plattenmacher die mundnahe Seite der Platten, er fast sie ab und bringt eine Rille ein, in der die Vorderkante der Schalldecke einrastet.

Der Deckenmacher

Er fertigt die Schalldecken aus dünnem Stahlblech. Zuerst sind die Außenkonturen der nicht tiefgezogenen Schalldecke mit der Exzenterpresse auszuschneiden. Dann erfolgt die Namensprägung Vorzugsweise als Flachprägung auf einer Friktionspresse und dann wird in verschiedenen Pressen Tiefgezogen. Werkzeugschlosser fertigen die Stanz- und Ziehwerkzeuge. Um die Ausgangsschnittform für eine vorher gefertigte Tiefziehform sind Experimente notwendig. Und all dies muss vom Schlosser beherrscht werden. Die Prägestempel werden von Graveuren und Stahlstechern hergestellt. Also, Mundharmonikadeckenprägungen werden ähnlich wie Geldscheine oder Münzen gemacht.

Der Federnfräser

In einer Spezialfräsmaschine fräst der Federnfräser in einer Minute bis zu 50 Tonzungen oder „Federn“ aus Spezialmessing , oft nur 0,25 mm dick. Die Tonhöhe muss er in Grenzen eines Vierteltonschrittes (50 Cent) genau einhalten. Die Biegekurve und die Steifigkeit, für das spätere herunterbiegen der Töne, müssen eingehalten werden. Er stanzt mit dem Federkästchen, einem Spezialschnittwerkzeug, die Tonzungen aus, bei Stößelhüben, wie eine Maschinenpistole so schnell, führt er den gefrästen Streifen frei von Hand zu. Dass auch noch das Nietloch in der Tonzunge auf 0,01 mm genau mittig sein muss, ist eine schier unglaubliche, aber notwendige Voraussetzung. Er muss auch die Harmonielehre so beherrschen, dass er die Tonfolgen vorwärts (blasen), rückwärts (ziehen), Tonfolgen der Dur-Tonarten, Tonfolgen der Moll- Tonarten, Tremolo und Oktav von sich aus selbst herleiten kann und er muss die handwerkseigenen Systeme erster, zweiter, dritter Ton und Tonfolge wissen. Auf der Welt gibt es nur noch wenige (ich schätze 5 - 10) Federnfräser, die das können. In 10 Jahren wird sich diese Zahl halbieren. Ich habe Federnfräsen vom „alten Rosenbaum" gelernt. „Nur Junge mache viele gute Federn für mich" (Federnfräser arbeiteten immer im Akkordlohn) war seine Meinung, nachdem ich es endlich geschafft hatte, eine anständige Feder in entsprechender Zeit zu fertigen.

Der Stiftmacher

Mundharmonikanietstifte des weltweit verwendeten Trossinger Systems werden auf schnellen Spezialautomatendrehbänken aus 1 mm starken Stahldraht hergestellt. Eine Fingerspitzenarbeit für Schlosser.

Die Nieterin

Typische Frauenberufe sind das Stiften (Einbringen der Stifte in die Stimmplatte), das Aufstecken (Aufbringen der Tonzungen auf die Stifte zentriert zum Kanal), das Abzwicken und das Nieten mit der Nietmaschine, früher mit dem Hammer.

Die Nieterin justier auch die Tonzungen mit einem Lichtspalt von 0,04 mm.

Die Richterin

Man könnte die Tätigkeit so beschreiben: - Hochpräzise, eintönige Handarbeit.

Sie biegt die Tonzungen etwas über die Plattenebene auf, abhängig von der Tonhöhe und nach Augenmaß und beseitigt nach Gehör Anrenner der schwingenden Zungen mit einer kleinen Feile.

Der/Die Stimmer/in

Die Stimmung der Tonzungen erfolgt als „Reine Stimmung“ mittels leichten Feilens am Zungenkopf oder in der Fräskurve. Die Stimmplatte ist auf einem Stimmkästchen mit zuschaltbaren Luftkanälen aufgesetzt und die Luft wird mit einem fußgetretenen oder elektrischen Blasebalg erzeugt. Zwei - Drei und Vierklänge werden dabei abgehört und so lange mit Abfeilen korrigiert, bis keine Schwebung mehr zu hören ist. Jeder der normal hört, kann dieses erlernen.

Die Monteurin

beledert, wenn nötig die Stimmplatten, nagelt oder schraubt die Stimmplatten auf, montiert die Schalldecken.

Der Durchpfeiffer

Er ist der Entkontrolleur und spielt die Mundharmonika zur Probe. Dabei beseitigt er noch vorhandene Fehler. Dann geht es zum Abwischen mit Lederlappen und Kreide, es wird verpackt und etikettiert.

Wenn Sie dieses in Praxis sehen wollen, dann kommen Sie einfach einmal in eine Mundharmonikafabrik. In den letzten 10 Jahren hat sich alle Welt scheinbar wichtigeren Themen, als der Mundharmonikafertigung zugewandt. Nun muss hier wieder ausgebildet werden. Wir sprechen alle Mundharmonikafans an, wer so etwas als AZUBI in Klingenthal als staatlich anerkannten Handwerker mit Handwerkskammerprüfung erlernen will, sollte jetzt Kontakt aufnehmen.

E-Mail: hans.hoyer@iu-projekt.de

Es ist nicht nur die reine handwerkliche Tätigkeit, nein wir wollen auch mit den international rennomiertesten Blues-Harpern und Chromatikspielern den AZUBIS`S das moderne Mundharmonikaspiel lehren.

Wer hat Interesse? Schickt Eure Mail – Adresse. Hans Hoyer



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