Besuch bei Herrn Macourek in der letzten Wiener Harmonika Werkstatt.
Wien ist vielleicht auch nicht mehr wirklich korrekt. Das Gewerbe ist wohl noch in Wien gemeldet und die Telefonnummer unter der Herr Macourek erreichbar ist ebenfalls eine Wiener Nummer, die Werkstatt befindet sich aber derzeit in Niederösterreich.
Herr Karl Macourek Senior ist zur Zeit (9.05.2005) 77 Jahre alt und erfreut sich bester Gesundheit. Sein Sohn Karl Macourek Junior arbeitet zum Teil an Kundenaufträgen, ebenso aber als Pianist. Im nächsten Monat soll eine neue CD mit klassischer Musik von bekannten Komponisten, die Mozart kopiert haben, in den Handel kommen.
Gespräch mit Karl Macourek Senior
Ich hatte die Gelegenheit, ein ausführliches Gespräch von ca. zwei Stunden Länge mit Herrn Macourek zu führen. Herr Macourek erlernte das Handwerk der Harmonikabauers noch vor dem 2. Weltkrieg in Wien, musste aber die Ausbildung bedingt durch den Krieg unterbrechen. Er setzte sie bei verschiedenen Meistern in Wien nach dem Krieg fort. In den Nachkriegsjahren gab es im Raum Wien noch ca. 20 Harmonikabauer. In den Fünfziger-Jahren begann er dann selbst mit der gewerblichen Tätigkeit. Weiters war er jahrzehntelang als Praxis- und Theorielehrer an der einzigen Berufsschule für Zuginstrumentenbauer in Wien tätig. Daher kennt er alle, die derzeit in Österreich als ausgebildete Harmonikabauer tätig sind, persönlich. Ebenso hat er viele alte Meister der ersten Generation noch persönlich gekannt und konnte so viele Traditionen nahtlos weiterführen. Er stellt meiner Meinung die Person dar, die vieles das heute als geschichtlich eingestuft wird, noch authentisch berichten kann. Weitere Gespräche, die vielleicht auch aufgezeichnet werden sollten, wären daher sicher wünschenswert. Mein persönlicher Eindruck ist auch, dass die Firma bis heute sehr traditionell, fast ohne Modernisierungen in der selben Art arbeitet, wie dies auch vor 50 Jahren der Fall war. Es wurden und werden Instrumente aller Gattungen gebaut. Ich konnte ein in Bau befindliches B-Griff Akkordeon mit drei Diskant-Reihen ohne Register sehen. Das Instrument war mit Stradella Bass ausgestattet, zweichörig und hatte eine verdeckte traditionelle Diskantmechanik mit Holzhebeln auf einer Achse, so wie es bei den Schrammelharmonikas üblich war. Die Bassmechanik und die Stimmzungen sind beste Italienische Qualität.Er hätte die Maschinen zum Bau der Bassmechanik, kann aber preislich nicht mit den zugekauften Stradella Bass Mechanik mithalten. Die Stimmzungen in den B-Griff Kundeninstrumenten sind beste Qualität und aus längsgeschnittenen Stahl Bändern handgenietet. Er und sein Sohn nieten oder feilen Stimmplatten nach wie vor. Jedoch nur nach Bedarf für Reparaturen, wenn keine passenden fertigen Stimmplatten vorhanden sind. Er besitzt ein relativ großes Lager an alten Ersatzstimmzungen sowohl aus der alten Produktion der Firma Salpa in Italien als auch aus der deutschen Klingenthaler und der Hohner Produktion. Alle diese Stimmzungen werden heute nicht mehr von diesen Firmen produziert. Komplette Stimmsätze bezieht er von einer Kontaktperson in Castelfidardo. Die Stimmplatten werden für ihn in Heimarbeit genietet. Er verwendet für die diversen Instrumente je nach Kundenwunsch unterschiedliche Stimmplattenqualitäten. Er versucht jedoch seine Kunden davon zu überzeugen, dass in erster Linie die Qualität der Stimmplatten für die Qualität des Instrumentes ausschlaggebend ist. Auch für das billigste Instrument sollte, selbst für Anfänger, die beste Stimmplatten-Qualität verwendet werden. Seiner Meinung nach wird gerade der Anfänger leicht entmutigt, wenn er sich mit schlechten Stimmplatten abplagen muss. Herr Macourek führte mir die Instrumente vor. Der Klang der chromatischen Instrumente war typisch für trationelle Wiener Insrumnete. Ein kurzes Video von der Vorführung eines Klaviertasteninstrumentes kann abgerufen werden. Die komplette Diskant-Mechanik samt Tastatur und Clavis-Hebeln wird in der Werkstatt selbst angefertigt. Ich war von der sehr sauberen und leise-gängigen Ausführung der Tastatur mit besonderer Lagerung und speziellen Filzen zur Dämpfung sehr beeindruckt! Herr Macourek betonte, dass die komplette Ausführung, Genauigkeit und Sauberkeit seiner Instrumente stark vom Preis bestimmt wird, den der Kunde zu bezahlen gewillt ist. Die Montage der Stimmplatten auf den Stimmstöcken erfolgt bei den chromatischen Instrumenten auf traditionelle Weise mit Leder und Schraubhacken. Dies trägt zum etwas abweichenden Klangbild seiner Instrumente bei. Er sagt, dass der Klang dadurch weicher und sanfter wird. Aus Kostengründen werden für die billigeren Instrumente auch in der Werkstätte Macourek die Stimmplatten aufgewachst. Für den typisch lebendigen Klang der Steirischen ist das Aufwachsen unter Umständen sogar vorzuziehen. Traditioneller weise wurden jedoch bei den Wiener diatonischen Modellen ebenso wie bei den Helikoninstrumenten die Stimmplatten mit Leder und Haken montiert. Es sagt, in Wien sei die Methode des Aufwachsen nie wirklich in Verwendung gewesen. Die Gehäuse werden komplett in Eigenbau gefertigt. Keinerlei Arbeiten werden derzeit an Fremdfirmen vergeben. Verdecke und Stimmstöcke werden selbst angefertigt. CNC Maschinen kommen nicht in Einsatz. Auch Kopierfräsen werden nicht verwendet. Herr Macourek könnte sich den Einsatz derartiger Maschinen gut vorstellen, ist aber aus finanziellen Gründen nicht in der Lage Investitionen zu tätigen. Herr Macourek Junior war beim Gespräch anwesend, hat sich aber kaum am Gespräch beteiligt. Die komplette Fertigung ist derzeit äußerst traditionell und handwerklich geprägt. Was in gewisser Hinsicht auch sehr positiv ist, da so vieles an Flair der alten Zeit erhalten geblieben ist. Während meiner Anwesenheit arbeitete Herr Macourek Junior an drei Bälgen für kleine Helikon Instrumente mit drei Reihen. Die Bälge waren in einer sehr frühen Phase der Fertigung. Ein Bild Zeigt ein Instrument mit einen unfertigen Balg. Die Klebeverbindungen aus Gewebe wurden an den Ecken aufgeleimt. Später wechselte er zu Vorbereitungsarbeiten für Ventilklappen (weiteres Bild). Das Stimmen der Instrumente wird üblicherweise ausgehend vom Kammerton A mit dem Gehör ohne Zuhilfenahme von Stimmgeräten durchgeführt. Er habe mehrere Stimmgeräte im Laufe der Zeit gekauft. Unter anderen auch eines mit Stroboskop-Anzeige, ist aber nach dem Stimmen nie mit dem Ergebnis zufrieden gewesen. Chromatische Instrumente werden temperiert gestimmt. Dies heißt aber nicht, dass die temperierte Skala mit einen Stimmgerät exakt zu kontrollieren ist. Erklärung kann er mir dafür zwar keine liefern. Es ist aber so. Es wird mit dem eingestrichen A begonnen und dann wird in Quinten und Quarten rauf und runter gestimmt bis man alle 12 Tönen durch hat. Anschließend werden die Oktaven nach oben und unten gestimmt, bis alle Töne am Instrument sauber zueinander klingen. Die Oktaven werden nicht gestreckt, sondern komplett rein gestimmt. Mit den Quinten und Quarten verhält es sich anders. Quinten werden leicht enger gestimmt, sie erhalten somit eine leichte Schwebung, die Schwebung wird exakt gleichmäßig auf alle 12 Intervalle verteilt. Jede mögliche Quint schwingt somit mit der gleichen Schwebung . Diese Differenzschwebung der Quinten ist bei unterschiedlichen Instrumenten nicht unbedingt gleich, und muss individuell an das Instrument und den Stimmensatz angepasst werden. Wir diskutierten etwas länger über dieses Phänomen. Herr Macourek kann keine stichhaltige Begründung dafür anführen, ist aber felsenfest davon überzeugt, dass jedes Instrument ein Unikat ist, der Stimmer muss dies erkennen und muss Korrekturen anbringen, um den optimalen Klang zu erreichen. Der Klang ist aber wiederum stark Geschmacksache, und von den Erfahrungen des Musikers geprägt. Er erzählte mir in diesen Zusammenhang, dass früher fast jeder Musiker auf einen bestimmten Harmonikabauer und Stimmer eingeschworen war und um keinen Preis einen anderen haben wollte. Heute hört der Durchschnitt der Musiker und besonders das Publikum die feinen Unterschiede nicht mehr. Er legte mir stark ans Herz nach guten Musikern Ausschau zu halten. Besonders in kleinen Besetzungen mit zwei Geigen, Bass und Harmonika kann sich der Musikgenuss ins Unendliche steigern. Insbesondere wenn gute Musiker an gut gestimmten Instrumenten nicht zu schnelle Stücke spielen. Zu den diatonischen Instrumenten und deren Stimmung befragt war die erste Antwort: „Die können scharf gestimmt werden“. Mit scharf versteht er, das die möglichen Quinten auf einen dreireihigen Instrument sowohl auf Druck als auch auf Zug ohne Schwebung, also scharf gestimmt werden können oder sollen. Fünfreihige Instrumente werden von ihm aber meist komplett temperiert gestimmt. Ebenso Vierreihige, wobei er sich nach den Wünschen des Kunden richtet. Seine Meister in der Lehrzeit haben diatonische immer „scharf“ gestimmt, auch die Terzen. Somit war in der Wiener Tradition der Klang der diatonischen von reinen Akkorden geprägt. Mir war dies schon lange klar, da auch Herr Salcher, mein Stimm-Lehrer, den selben Standpunkt vertreten hat. Ich freue mich diese Meinung von Herrn Macourek bestätigt bekommen zu haben. Dreiklänge sollen somit auf einer diatonischen (Steirischen oder Wiener) rein klingen. Diese Stimmpraxis mit reinen Intervallen war die bevorzugte Stimmpraktik in der Vergangenheit.
Wie verhält es sich aber dann auf Zug mit dem Septakkord?
„Nun der wurde nie sauber gestimmt, der wurde so hineingemogelt, also nach Gefühl“
Also wenn zum Beispiel die Töne g, h, d, f auf Zug vorkommen wurde das f nach Gefühl für den Septakkord dazugestimmt. Das heißt somit, dass die möglichen Moll Akkorde auf Zug nicht komplett rein erklingen.
Wiener diatonische Instrumente hatten üblicherweise in jeder Reihe am unteren Ende je einen leiterfremden Halbton, diese wurden nicht rein ausgestimmt da diese Töne beim Spielen nie als Teile eines Akkords Verwendung fanden, und im Melodiespiel die geringe Tonhöhen-Abweichung nicht zum Tragen kommt. Betont hat er auch, dass es für einen Stimmer wichtig ist, aus der Musiktheorie alle Intervallzusammenhänge gut auswendig zu kennen. Er erzählte mir auch, dass er und sein Sohn in letzter Zeit wieder vermehrt Harmoniums instandsetzen. Ein selbst spielendes Orchestrion wurde ebenfalls vor Kurzen restauriert. In Wien gibt es in letzter Zeit wohlhabende Instrumentensammler, die bereit sind Geld für Restaurierungen auszugeben. Herr Macourek hat auch immer wieder für das Technische Museum in Wien gearbeitet. Dieses Museum hat wesentlich mehr Exponate als in der laufenden Zuginstrumenten-Ausstellung zu sehen sind. Wenn man beim Besuch des Museums den Betreuer der Abteilung anspricht, kann man weitere Objekte zu sehen bekommen. Insgesamt scheint sich der Markt positiv zu entwickeln. Die Arbeitsleistungen die die Werkstätte anbieten kann sind jetzt wieder mehr gefragt. Sie hoffen im Wiener Bereich wieder ein Geschäftslokal zu vernünftigen Preisen mieten zu können. Leider, oder Gott sei Dank, ist der Sohn mit Herz Pianist und wird auch weiterhin das Gewerbe als Harmonikabauer nur in einem Teil seiner Zeit ausüben. Obwohl Herr Macourek Senior bereits 77 Jahre alt ist, ist sicher auch weiterhin noch mit ihm zu rechnen. Ich wünsche ihm auf jeden Fall noch ein langes Leben und beste Gesundheit. Sollten sie Interesse haben eine Harmonika aus seiner Werkstätte ihr eigen zu nennen, wäre ein persönliches Gespräch anzuraten.
Eine diatonische Harmonika konnte ich nicht ausprobieren, da keine fertiges Instrument spielbereit war. Die 3 Stück die momentan in Arbeit sind, sind sicher vom Preis sehr günstig, da sie auf jeglichen Dekor am Gehäuse verzichten. Die Bass-Mechanik ist sehr einfach ausgeführt wie bei jenen Instrumenten, die nahezu für 150 in Wien und Klingenthal gefertigt wurden. Der Bass-Aufbau (Basskammern, Cassotto) unterscheidet sich von den traditionellen Novak- oder Hlavacek-Konstruktion, er ist ähnlich wie bei den Instrumenten der Firma Strasser. Der Tastenabstand beträgt bei diesen Instrumenten 20mm, kann aber nach Kundenwunsch angepasst werden. Es sind 30 Diskant-Tasten vorhanden. Abgestufte Holztastatur mit Holz Clavis. (Seine chromatischen B Griff haben 18mm Abstand). Das Gehäuse ist etwas kleiner als bei anderen zweichörigen Instrumenten. Die Bass-Bestückung entspricht vollständig der Tradition, 5 Stück doppelte Helikon Stimmplatten, wahrscheinlich mit Moll in der zweiten Reihe. Weder Wechselbass für die erste Reihe noch ein X-Bass sind vorhanden.
Kundenwünsche können natürlich immer ausgeführt werden.
Mein privaten Bilder vom Besuch
Karl Macourek Harmonika – ein Bild aus dem web:
Wohnung:
Josefine Macourek
Hütteldorferstraße 156 Stg. 17
1140 Wien
Telefon: 01 4193054
Werkstätte:
Innermanzing bei Altlengbach
Hinrichsgasse 158
Niederöstereich
Adresse des mittlerweile geschlossenen Geschäftslokals.
Reithofferplatz 14
1150 Wien
Telefon:
01
982 25 81